Habt ihr kurz Zeit?

Dezember 2015

IMG_4467Mam meint, ich – Hannah – sollte dieses Jahr den Weihnachtsbrief schreiben, da ich am meisten Zeit habe. Wie falsch sie da liegt! Im Moment ist so viel los in meinem Leben!

Aber ich sollte von vorne anfangen. Statt wie normalerweise in Österreich Ski fahren zu gehen, haben wir unsere Sportferien in Costa Rica verbracht. Ein bisschen Regen und viel Grün, giftige Frösche, Kakao-Plantagen, Blattschneidende Ameisen, Affen, Krokodile, Vögel in allen Formen und Farben… Die Landschaft, das Essen, die Häuser, alles ist so anders, als wir es gewohnt sind. Die Costa Ricaner, oder „Ticos“, haben vielleicht weniger Geld als in der Schweiz, aber sie scheinen so viel glücklicher. Ihre Einstellung „Pura Vida“ hat mir viel über wahren Wert und Familie beigebracht.

Paris, City of lights - and of love
Paris, City of lights – and of love

Nach langem Träumen haben wir eine Woche in Paris verbracht. Marie und ich waren noch nie dort gewesen, und unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Alles, vom beleuchteten Eiffelturm, dem Place du Tertre in Montmartre, zu den verschnörkelten Brücken, schrie Stadt der Liebe. Die Bäckereien sind gefüllt mit bunten Makronen und frischen Baguettes, und jeder Morgen beginnt mit einem Café au lait und Pain au chocolat. Es ist ein romantischer Traum.

Später im Frühling nahm ich wie üblich am Christlichen Adonia Musiklager teil. Dieses Jahr führten wir „Peter der Apostel“ auf. Marie spielte in ihrem Schultheaterstück, welches die Geschichte einer Zukunft erzählte, in der alle Märchen verboten sind und jeder Mensch Pillen gegen träumen nehmen muss…

Im Juni gab Maries Streichorchester drei fantastische Konzerte. Der Gast-Solist dieses Jahr war der 13-jährige, unglaublich talentierte Lou Hägi, der seit zwei Jahren in Maries Klasse ist. Lou und seine Familie sind uns sehr ans Herz gewachsen.

Mit meinen neuen Kanti (= Kantonsschule, Gymnasium)-Freunden starteten wir die Aktion „Spread your kindness“ (Verbreitet eure Liebe). Wir hefteten freundliche Notizzettel an Toilettenspiegel in unserer Schule und verteilten Schokolade im Dorf. Eine Woche nach Valentinstag hängten wir 150 farbige Zettel an die Schliessfächer unserer Schule.

Als die Sommerferien näher rückten beschlossen wir, ein Musikvideo für unser Motto zu drehen. Jetzt da ich weiss, was ich nach der Kantonsschule machen will – Film Regisseur sein – benutze ich jede Gelegenheit, um zu üben. Unser Video wurde für das Zuger Filmfestival nominiert, obwohl wir es nur zum Spass und mit Mams Kamera als einziges Material gedreht hatten. Wir haben nicht gewonnen, doch die Freude, nominiert worden zu sein, war schon mehr als wir uns erträumt hatten.

Endlich war das Schuljahr zu Ende. Marie und ich verbrachten unsere erste Ferienwoche in unserem geliebten Jolimont Lager, einem Ort wo die Musik nie zu spielen aufhört. Jeder Raum in der alten Villa auf dem Hügel enthält mindestens ein Klavier. Cello-Kästen stapeln sich in den Ecken, und der Klang von Geigen erfüllt den Garten, der randlos in den Wald übergeht.

Mas Suéjol, Anduze 2015
Mas Suéjol, Anduze 2015

Wir verbrachten unsere Familienferien in Südfrankreich – eine letzte Tradition vor dem Grossen Wechsel (Spannung, Spannung…). Nach einer Woche Dolcefarniente in Balazuc, einem mittelalterlichen Dorf in Ardèche, haben wir mit Freude die Überschwänglichkeit des Festivals in Avignon und die Gastfreundlichkeit des Mas Suéjol, eines kleinen Gästehauses in Anduze (Cévennes) wiedergefunden. Die Hitze umhüllte uns wie eine dicke Decke und unsere Ohren waren fortwährend mit dem Gesang der Zikaden gefüllt.

Adonia, Junior-Camp, August 2015
Adonia, Junior-Camp, August 2015

Und dann, endlich! Während Marie ihr Adonia Lager besuchte, stellte ich mein Zimmer auf den Kopf und stopfte alles Überlebenswichtige in zwei Koffer. Geschenke, Schokolade und mehr Schweizer Andenken füllten die Hälfte. Ich konnte nicht stillsitzen oder schlafen für die letzten paar Tage der Sommerferien.

Zurich-Kloten, 11 août 2015
Zurich-Kloten, 11 août 2015

Am 11. August um 9 Uhr morgens stand ich am Flughafen und winkte Mam, Marie und meinen Freundinnen zum Abschied. Und mit einem Lächeln im Gesicht und Abenteuer im Herzen brach ich auf in die Ungewissheit meines Austauschjahres.

Nach der unangenehmsten Reise, die ich je erlebt hatte – ich musste auf einem Klappbett im Chicago Flughafen übernachten und kam einen Tag später als geplant an – wurde ich von meinen teuren Freunden Jy, Ever und Annie empfangen. Nach einem vegetarischen Sushi-Essen fuhren wir nach Santa Fe, wo ich dieses Schuljahr verbringen würde. Seit unserem Sabbatical in 2012/13, fühlt es sich immer so an, als wäre ein Teil meiner Seele hier zuhause, und ich war so glücklich zurück zu sein.

Ich hätte mir keine bessere Gastfamilie wünschen können als die Prishkulniks. Von der ersten Woche an fühlte ich mich völlig wohl. Meine Schwestern Jy und Ever sind mir sehr ans Herz gewachsen mit ihrer Verrücktheit und ihrem Humor.

So viel Liebe in diesem kleinen Hund Bistro!

Ihre drei Hunde sind nun regelmässige Besucher in meinem Zimmer, obwohl ich nie gedacht hätte, dass ich je so hässliche Hunde lieben könnte.

Während ich das „Neu-Mexikanische Leben“ mitmachte – Schulball, Waffen-Alarm in der Schule, Burritos zum Frühstück, Halloween – genossen Mam und Marie das ruhige Schweizerleben (und häuslichen Frieden). Ihre beiden Höhepunkte waren die einwöchige Wandern-Ferien im Wallis und die erfolgreiche Herbst-Tournée von Maries Streichorchester.

Und nach einer 33-Monate langen Prozedur haben wir nun endlich den Schweizerpass gekriegt. Nun bin ich also nicht nur deutsch und französin, sondern auch noch schweizerin.

Cheese Factory avec Ever et Elizabeth
Cheese Factory avec Ever et Elizabeth

Thanksgiving bin ich mit meiner Gastfamilie nach Los Angeles gefahren, um Jy zu besuchen, die nun dort ihren Traum lebt: Schauspielerin werden. Ihr letzter Film, Cents, kam diesen Sommer raus.

Wir verbrachten eine aufregende Woche, in der wir uns als Evers Lieblingsband verkleideten, auf Venice Beach sangen und Gitarre spielten, in der wunderbaren Cheesecake Factory assen und mehr …

Jetzt da meine letzten Prüfungen vorbei sind und die Weihnachtsferien begonnen haben, sind meine Koffer erneut gepackt, und in wenigen Stunden fliege ich mit meiner Gastfamilie für die nächsten zwei Wochen nach Guatemala. Ich freue mich sehr!

Mam und Marie werden fünf Tage in London verbringen und Musicals schauen wie „Wicked“ und… aber das ist eine Überraschung für Marie!

Maman, Marie und ich hoffen, dass ihr die Zeit findet, um auf das Jahr 2015 zurück zu blicken, neue Energie für 2016 zu sammeln, und dankbar zu sein für die Zeit die euch gegeben wurde.

Wir wünschen euch Frohe Weihnachten und ein wunderschönes Neues Jahr, und senden euch ganz viel Liebe von überall auf der Welt!

Hannah, Marie und Michèle

PS: Habt ihr kurz Zeit, um ein paar weitere unserer Fotos zu sehen? (Auf das Dia-Show klicken, um es zu vergrössern).

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